Mieser Tag, Schicksal und eine nette Begegnung

Nun haben wir den europäischen Kontinent verlassen und Asien erreicht. Leider bei strömendem Regen und einer Temperatur
unter 5° C.
Heute Morgen war die Welt hier mit einem weißen „Zuckerguss“ bedeckt.

Nachdem wir am Freitag einen Depressionstag hatten und wir alles andere als motiviert waren, haben wir uns am Nachmittag auf den Parkplatz des 5 Sterne Hotels Ramada gestellt. Davor hatten wir versucht, zwei im Navi aufgezeigte Plätze anzufahren, die aber nicht vorhanden waren. Sind unmotiviert durch Jekaterinburg gefahren und wollten dann den Rastplatz anfahren, den Brigitte uns aufgeschrieben hatte. Dies führte zuerst dazu, dass wir anhand der Koordinaten unweit des Rastplatzes landeten. Leider aber auf der verkehrten Seite der Transib-Eisenbahnstrecke im Nirgendwo. Dann mühsam auf die andere Seite der Bahnlinie, um dort einen Rastplatz zu finden, der eher einem Schrottplatz glich. Ich bestand dann auch noch drauf, dass Gisela einen Polizisten nach Möglichkeiten zum Übernachten fragt. Zum Glück war der Polizist ein echter Knuffi und empfahl uns das Ramada. Dort standen wir nun mit unserer Depression. Etwas aufmunternd waren zum Glück der See und der nette kleine Park am Hotel.
Die mitgeführte Flasche Whisky machte es dann ein wenig erträglicher.
Am nächsten Morgen hatten wir uns entschlossen die Stadt zu verlassen. Das orthodoxe Kloster Ganina Yama lag 40 km abseits von uns und wir hatten keinerlei Informationen, ob es sich lohnt oder ob es zu besichtigen sei. Selbst den Namen des Klosters suchten wir mühsam aus dem Internet heraus. Weitere Informationen gab es nicht. Also die Entscheidung, wir fahren nach Omsk. Bei der Abfahrt sagte das Navi eine Richtung an, die etwas verwirrend war. Dann, nach 5 km ging die Strecke immer noch Richtung Innenstadt. Gisela meinte schon vorher, das stimmt nicht. Bei der Überprüfung der Route stellte ich dann fest, dass die Innenstadt am Vortage nicht erreicht wurde und somit wir über die Innenstadt gelotst werden. Dann soll es eben so sein, nicht beachtend, dass es Samstag der 9. Mai 2015 war.
Der 70. Jahrestag, der MIR Tag, der Beendigung des 2. Weltkrieges. Diesen Tag kennen wir auch in Deutschland aus der Presse. Bilder wie Düsenjägerformationen und Panzerparaden fallen mir dazu ein. Heute, einen Tag nachdem wir diesen Tag hier erleben durften, habe ich dazu ganz andere Bilder im Kopf. Wieder einmal fällt mir auf, wie einseitig auch bei uns berichtet wird. Vorab das Negative: wir brauchten für unsere 5 km lange Tour durch die Innenstadt über 3 Stunden.

Dafür hatten wir aber das Erlebnis zu beobachten, wie hunderttausende von Menschen die Innenstadt füllten. Wie alte Menschen gemeinsam mit ihren Kindern, Enkelkindern und Urenkeln zu dieser Kundgebung gingen. Im russischen gibt es keinen Begriff für Frieden, der Begriff MIR sagt aus, kein Krieg und dies wird gefeiert von der ganzen Bevölkerung. Ja doch, Düsenjägerformationen, Panzerauffahrten und Militärparaden gab es auch. Dieses Machtgehabe muss anscheinend sein. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist einfach nur in Festlaune, weil seit 70 Jahren der Krieg vorbei ist. Die einzige Bedrohung hier, war das riesige Verkehrschaos, verursacht durch die vielen Omnibusse, die PKWs und die Masse an Fußgängern. Die Polizei war machtlos und trotzdem hat alles funktioniert.

Durch diese Verzögerung durch die Innenstadt und der bei uns inzwischen wieder eingekehrten Zuversicht, entschlossen wir uns doch, noch zum Kloster Ganina Yama zu fahren. Der Weg dorthin ist ohne Navi nur schwer zu finden und der Zustand der Zufahrtsstraße vorsichtig ausgedrückt, nicht im optimalen Zustand. Der erste Eindruck als wir die Klosteranlage sahen, war beeindruckend.
Ein sehr stiller, friedlicher Ort in einem Waldstück. Die Mönche haben hier 7 Kirchen errichtet. Alle erbaut in Blockhausbauweise.

Der Innenraum geschmückt mit vielen Ikonen.

Das Ganze jedoch schlicht und nicht mit Gold überhäuft wie viele andere Kirchen. Um die Kirchen schöne Wege durch den Birkenwald. Immer wieder steht eine Statue, die an die letzte Zarenfamilie erinnert. Der Zar, seine Frau und ihre 5 Kinder wurden in der Nähe 1918 durch Bolschewisten ermordet. Damit diese Gräueltat nicht bekannt werden sollte, wurden die Gesichter der Leichen verätzt und die Leichen anschließend in einer Vertiefung im Wald verscharrt. Als man die Grabstätte der Zarenfamilie im Jahre 1979 entdeckte, wurde hier das Kloster gegründet und die Kirchen als Andenken erbaut.

Photographieren ist in den Kirchen grundsätzlich verboten.

Es wird kein Eintritt verlangt, Spenden sind willkommen. Frauen müssen bei betreten der Kirchen ihren Kopf bedecken und ihre Beine mit einem Rock verhüllen.

Jetzt habe ich aber schon einen Tag vorgegriffen. An diesem Tag fuhren wir, wie schon erwähnt, zur Klosteranlage. Da gerade einige Besucher da waren entschlossen wir uns, zuerst etwas zu essen. Als wir so im Fahrzeug saßen bemerkten wir, dass einige der Besucher unser WoMO bestaunten und es fotografierten.
Einer der Bewunderer klopfte dann zaghaft an unsere Tür und sprach eine Einladung zu sich nach Hause aus. Es war ein Mann mit 48 Jahren, der unserem typischen Russenbild entsprach. Militärklamotten an und ein kleines Barrett auf dem Kopf. Er sprach russisch und wenige Worte deutsch. Er wäre in den 80-Jahren als Soldat in Potsdam gewesen. Seine Frau kam dann auch dazu und wir nahmen die Einladung an. Wir fuhren ihrem Fahrzeug 20 Minuten hinterher und waren dann in ihrem Heim angelangt. Ein sehr schönes Haus und die Inneneinrichtung sehr modern und sehr komfortabel. Der Standard konnte mehr als mit deutschem Durchschnittsstandard konkurrieren. Ihr Haus sei unser Haus und wir sollen doch bei ihnen schlafen. Wir können die Banja benutzen, Duschen und sollen uns doch einfach Wohlfühlen. Wir fühlten uns wohl. Nachdem Boris, mein Freund, die Wodkaflasche geöffnet hatte merkte ich bald, dass ich da nicht mithalten kann. Irgendwann war die Flasche leer und er machte einen Cognac auf. Da war ich aber schon lange ausgestiegen. Es gab Tee, Kaffee und Kuchen, anschließend bis nach Mitternacht Braten, Kartoffeln, Wurst, Käse, Gegrilltes und zum Abschluss, selbstgemachte Piroge . Der Tag war mit Essen, Trinken und Plaudern ausgefüllt. Unser WoMo stand sicher bei ihnen im Innenhof. Bewacht von einem Rauhaardackel. Dieses Mistvieh hat mich sogar gebissen. Wir fuhren mit ihrem Fahrzeug gegen 21 Uhr den Weg in die Innenstadt zurück. Dort erlebten wir dann den Abschluss des MIR-Festes durch ein fantastisches Feuerwerk. Es regnete, laut Wetterbericht bei gefühlten -5° C in Strömen. Boris blieb im Wagen zurück, wir hatten nur einen Parkplatz in der 3. Reihe gefunden. War für uns kein Problem, da wir ja Larissa als Fahrerin hatten. Boris konnte natürlich nicht mehr fahren. Das Verkehrschaos war wie am Mittag des Tages schon erlebt. Fast eine halbe Stunde ging das Feuerwerk. Die Menschen waren ausgelassen und bejubelten jede besonders schöne Rakete. Erst kurz nach Mitternacht waren wir zurück.

Nach dem essen der frischgemachten Piroge (Rezept wurde veröffentlicht) ging es dann für uns ins WoMo zum schlafen.

Boris weckte uns heute Morgen dann gegen 9 Uhr. Wir hätten bestimmt noch länger geschlafen. Nach dem Frühstück hieß es dann Abschied nehmen und es fiel uns allen schwer. Ich wäre Boris „älterer Bruder“ und er war so gerührt, dass uns ein liebevolles SMS kurz nach unserer Abfahrt erreichte.
Wir können Boris und Larissa nur danken für ihre Gastfreundschaft und sagen, dass das eigene Leben durch solche Gesten verändert wird.

Wir fuhren heute Morgen noch einmal zu der Klosteranlage und besichtigten sie diesmal ausführlich.

Anschließend ging es weiter in Richtung Omsk. Knapp 1000 km bis zum nächsten Etappenziel. Die Fahrt führte uns heute knapp 200 km weit. Inzwischen haben wir ja in Jekaterinburg Europa verlassen und Asien betreten. Unterwegs geht es jetzt durch eine der längsten Tiefebenen der Welt. Gerade Straßen, kaum Wälder, noch einige große Felder und Dauerregen begleiteten uns auf unserem heutigen Weg. Nicht gerade aufregend. Jetzt stehen wir etwa 1 km abseits des Transsib-Highway mitten in einem kleinen Dorf. Kaum ein Mensch ist zu sehen und es ist sehr still. Mit Einbruch der Dunkelheit, es gibt keine Straßenbeleuchtung hier, hören sogar Hühner und Gänse zu gackern und schnattern auf.

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1 Antwort zu Mieser Tag, Schicksal und eine nette Begegnung

  1. Peter sagt:

    Hallo ihr Beiden, ihr seid schon auf dem Weg nach Omsk? Bei Regen und 5 Grad?
    Wir stehen jetzt direkt vor Igra, von Izhevsk aus waren wir zufällig die letzten Kilometer westlich der M7 auf einer sehr gut ausgebauten Nebenstrecke gekommen. Bestes Wetter mit viel Sonnenschein (und das begleitet uns schon seit dem 5. Mai). Und nun geniessen wir den Abend auf einer Wiese neben einem kleinen Flußlauf.
    Viele Grüße Brigitte und Peter mit Oskar
    PS: bei eurem Tempo werden wir euch wohl nicht mehr einholen. Unser nächstes zeitliches Ziel ist der Baikalsee um den 15.-20.6. herum. Sehen wir da evtl. noch?

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