In the middle of nowhere

Am Morgen sind wir erst sehr spät losgefahren. Gisela war mit ihrer Grippe zerschlagen und es tat ihr gut bis 10 Uhr zu schlafen. Ich hatte in der Zwischenzeit Besuch von einem jungen Mongolen auf dem Bike. Er sprach mongolisch und ich deutsch. Viel kam da nicht zusammen, ein wenig aber schon. Auf jeden Fall haben wir beide viel gelacht und uns gewundert, dass nichts zusammen lief. Er hätte am liebsten das WoMo besichtigt und ich saß breit auf der Treppe und versperrte die Sicht. Gisela lag ja im WoMo im Bett.

Es war die Fahrt ins Nichts angesagt. 180 Km Piste waren zu bewältigen bis zum ersten Zwischenziel Bombogor. Die Piste verlief auf fast 2000 m Höhe durch eine Halbwüste ohne besondere landschaftliche Höhepunkte. Die Flüsse waren alle trocken, sodass wir keine Wasserdurchfahrten hatten. Die Gegend ist mehr als dünn besiedelt. Selbst die Ger waren selten zu sehen und trotzdem, ab und zu Schaf- und Ziegenherden. Mitten auf der Strecke trafen wir dann ein polnisches Paar mit einem Hilux. Ein Treffen im Nowhere! Ein netter Typ, der seinen Hilux selbst professionell umgebaut hatte. Wir haben seine Visitenkarte und eine Einladung nach Polen.

Giselas „Grippe“ ist etwas besser geworden im Laufe des Tages. Mittags hatte sie sich noch etwas hingelegt und leider vor dem Weiterfahren vergessen das Fenster zu schließen. Dies führte dazu, dass wir die Scheibe irgendwo im Middle of Nowhere verloren haben. Mit einer Einkaufstüte und etwas Geschick haben wir sie nun geflickt und hoffen, dass die Folie bis Russland hält. Sind ja nur noch 1000 km. Dort bekommen wir dann sicherlich Material um sie fachgerecht zu reparieren. Unser polnischer Treff hatte uns noch glaubhaft versichert, dass von den 1000 km fast 400 km in gutem Straßenzustand wären. Der Rest allerdings Piste. 180 km Piste am Tag sind anstrengend. Langsam fahren ist nervenaufreibend und „tödlich“, zu schnell allerdings kann leicht ins „Auge“ gehen. Volle Konzentration ist notwendig.

Abends hatten wir eine fantastische Sicht. Im Süden waren die Dünen der Wüste Gobi sichtbar. Etwas weiter südlich dann im Herzen der Gobi befindet sich schon China.

Nach einer ruhigen Nacht, wie kann es anders sein im Nichts, frühstückten wir im Freien und fuhren dann die 10 km noch bis Buutsagaan. Dort erlebten wir dann eine kleine Überraschung. Die Piste, die das Navi vorgab, sagten (auf Mongolisch natürlich) uns Einheimische, ist falsch. Ihr müsst in westliche Richtung. Gisela war derselben Ansicht. Die Piste, die wir fanden war natürlich weder in der Karte noch im Navi. Vor uns fuhr ein Klein-LKW. Die Piste sah nicht viel befahren aus. Der Fahrer des kleinen LKW hielt nach 9 km für eine Zigarettenpause. Wir fragten nun zum 5. mal nach dem Weg. Klar war gleich, die Piste ist falsch. Er zeigte uns, dass wir ihm folgen sollten und fuhr nochmals 3 km weiter. Dort zeigte er auf einen Berg etwa 8 km nordwestlich und signalisierte, dass dort die Piste wäre. Piste zu dieser Piste gab es von hier nicht. Also über Stock und Stein 8 km durch die Halbwüste und tatsächlich, da ist die Piste, die in westliche Richtung geht und sie sieht sogar viel befahren aus. Hier korrigiere ich gleich, auf den nächsten 70 km begegnete uns ein Fahrzeug und ansonsten niemand. Steinige Piste, viel Wellblech, kaum ein Ger in Sichtweite auf den gesamten 70 km. Alle 20 km hielten wir an um an der Übersichtskarte im Computer zu sehen wo wir denn sind. Nach 70 km tauchte dann im Navi das Ende einer Piste auf. Nach weiteren 20 km Pistenfahrt zeigte sich rechts neben unserer Fahrspur plötzlich ein kleines brückenähnliches Bauwerk. Voller Jux sagte ich, lass uns auf die Autobahn da oben fahren. Gesagt getan. Ich staunte nicht schlecht, dass ab diesem Punkt eine nagelneue asphaltierte Straße vorhanden war. Sie führte uns auf den nächsten 120 km direkt nach Altai. Der Verkehr auch auf dieser Straße war so gering, dass ich unkte, die Straße wäre wohl gesperrt. Nach einigen Tagen der „Wildnis-Übernachtung“ stehen wir heute in Altai. Es tut ganz gut mal wieder Menschen zu sehen.

Am Navi ist vorher die Glasscheibe gesprungen, aber es funktioniert noch. Die Schäden nehmen seit gestern zu, hoffentlich gibt sich das wieder.

Am Morgen dann lagen wir lange in den Alkoven und schauten nur zum Fenster raus. In der Nacht hatte es ein wenig geregnet, aber es war nicht der Rede wert. Ich füllte Wasser nach und Gisela kaufte ein paar Lebensmittel ein. Als wir los fuhren war es bereits 11 Uhr. Wir hatten uns am Vorabend noch unterhalten, dass wir eigentlich zu schnell unterwegs sind. Obwohl wir uns vorgenommen hatten, an allen schönen Punkten zu bleiben und es gibt viele schöne Eindrücke, war keiner so, dass er sich zum längeren Bleiben anbot. So war es auch heute. Wir fuhren zwar heute nur knapp 180 km, aber es ging auf 1300 m Höhe durch das Sharga Depressionsgebiet. Wellblech bis zum abwinken und wenn es dann mal etwas softer wurde staubte es, dass es uns fast den Atem nahm. Für die 180 km benötigten wir über 5 Fahrstunden. Soweit das Auge reicht nur Halbwüste, alles flach, kaum Verkehr, die Piste oft über 1 km breit und trotzdem voller Wellen. Jetzt stehen wir ca. 60 km vor Darvi, einem kleinen Dorf in der Wüste.
Es hat angefangen zu regnen.

Wir sind von der Piste Richtung Norden abgefahren. Immer geradeaus. Nach knapp 1 km haben wir dann angehalten. Busch, Baum, Hügel oder Senke gibt es hier nicht. In der Entfernung sehen wir ab und zu ein Fahrzeug vorbei fahren. Eigentlich, Spaß, müssten wir heute Nacht den Warnblinker einschalten, nicht dass einer neben der Piste fährt und uns übersieht. Waren wir gestern am Spätnachmittag noch verwöhnt von der Straße, sahen wir uns heute wieder mit harten Tatsachen konfrontiert. Selbst bei dieser langsamen Fahrweise erfordert es volle Konzentration. Ein Loch, einen Stein zu übersehen könnte fatale Folgen haben.

Der Regen wurde über Nacht stärker und am Morgen waren die Berge nicht mehr zu sehen. Ich hatte das Fahrzeug am Vorabend so geparkt, dass bei Abfahrt geradeaus auf die Piste stoßen müssten. Nach fast 4 km Querfeldein korrigierte ich die Richtung. Die Piste machte wohl einen Knick und wir fuhren nun schon fast 5 km parallel zur Piste, bevor wir sie wieder erreichten. Es ist selbst für mich mit einiger Erfahrung schwierig, ohne Kompass zu navigieren wenn alles grau in grau ist und keine Erhebungen ersichtlich sind. Das Navi ist da schon eine gute Hilfe, natürlich nur solange es funktioniert.
Im Glas sind zwar schon etliche Sprünge aber es funktioniert.
Die Piste wurde schlechter und enger. Ein Ausweichen auf Parallelpisten war auf Grund der starken Niederschläge nicht mehr möglich. Als wir es bei sehr schlechter Piste dann doch versuchten, saßen wir fast im Schlamm fest und erreichten nur noch durch die gute Traktion des Hilux die rettende Piste.
Für die letzten 50 Km bis Darvi benötigten wir dadurch 2,5 Stunden. Das Dorf Darvi ließen wir dann einfach unbeachtet. Tankstelle, ein paar Häuser, eine Schule und sehr trostlos. Die nächsten 30 km gingen gerade so weiter wie die letzten 50 km. Von Pistenfahrten hatten wir, zumindest für heute die Nase restlos voll. Als wir bei strömendem Regen Mittagspause machten, hielt ein Klein-LKW neben uns. Gisela meinte, sie müsste signalisieren, dass alles in Ordnung sei. Die waren aber nur neugierig und wären am liebsten ins WoMo gekommen. Als sie die Türe schloss, standen die 3 Männer einfach neben das WoMo pinkelten und fuhren weiter. Schamgefühl ist den Mongolen scheinbar fremd.

Bei der Weiterfahrt erlebten wir dann wieder ein „Wunder“. Nach über 200 km miserabelster Fernverbindungsstraße (Wellblechpiste) eine nagelneue asphaltierte Straße, die uns die restlichen 170 km schnell nach Khovd brachte. 30 km vor Khovd fuhren wir dann 8 km eine Piste zum Khar Nuur (See) wo wir dann einen ruhigen Übernachtungsplatz direkt am See hatten.

Leider fing es in der Nacht wieder an zu regnen und am Morgen stand das abfließende Wasser aus den umliegenden Hügeln schon in großen Wasserlachen um uns herum. Der Boden war aber fest und deshalb gut zu befahren. Über eine am See entlang führende Piste kamen wir dann nach Khovd. Auf dem Parkplatz vor dem Markt stand ein deutsches Wohnmobil und wir lernten Petra und Jürgen kennen.
Mit ihnen verbrachten wir den Abend am Flussufer in Khovd. Ein sehr schöner Sonnenuntergang und ein Wolkenspiel mit Licht und Schatten tauchten die Landschaft in ein unvergleichliches „mongolisches Licht“. Dieses intensive Licht- und Schattenspiel, meinte Gisela, gibt es nur in der Mongolei. Da die Mongolen zusätzlich zur Zeitzone die Uhr um eine Stunde nach vorne gestellt haben, war es bis nach 24 Uhr noch sehr hell. Der Mond war als kleine Sichel am Himmel. Dann gegen
1 Uhr setzte wiederholt der Regen ein und heute Morgen ist wiederum alles, wie auch zu Hause nach starkem Regen, sehr grau. Der Regen brachte es dann auch mit sich, dass es etwas ruhiger wurde. Die Dorfjugend meinte nämlich sie müsste sich in der Nähe unseres Übernachtungsplatzes präsentieren. Etwas laut, etwas unruhig, aber ohne tatsächliche Belästigung. Trotzdem, es stört den Schlaf, wenn Alkohol im Spiel ist, wird das oft zum Glücksspiel. Harter Alkohol (Wodka) ist auch hier spottbillig und leere Flaschen versauen oft die schöne Landschaft. 

Für heute ist Ruhetag angesagt und ich werde mich ein wenig pflegen. Habe mir irgendwie und wo den großen Zehen geprellt und der verursacht richtige Schmerzen. Gisela wird etwas einkaufen in der Stadt und dann wollen wir noch einmal zum See raus.
Wir fuhren gemeinsam mit Petra und Jürgen an den See und verbrachten dort einen ruhigen Tag. Es regnete zwar auch an diesem Tag, doch immer wieder kamen klar und deutlich bei strahlender Sonne die schneebedeckten Berge und Gletscher zum Vorschein. Eine einmalige Landschaft. Abends kam dann noch ein Hirte vorbei. Er rauchte gemütlich eine Zigarette und aß etwas mit uns und verabschiedete sich dann wieder. Gemeinsam mit unseren beiden Mitreisenden fuhren wir heute Morgen weiter in Richtung russische Grenze.

Etwa 50 km nach Khovd hielt uns dann ein Motorradfahrer aus Weißrussland an. Er hatte kurz vorher sein Motorrad bei einer Flussdurchfahrt „versenkt“. Das Wasser im Fluss rauschte wildbachartig vorbei und hatte etwa 50 cm Tiefe und im Flussbett lagen große Steine. Der Fahrer konnte die Maschine im Fluss nicht halten und stürzte. 15 m wurde er abgetrieben. Alles war nass. Ich schleppte das Motorrad aus dem Fluss. Leider hat es einen Wasserschlag und ist nicht mehr zu gebrauchen. Über 2 Stunden versuchten wir gemeinsam es flott zu bekommen. Es blieb uns nichts anderes übrig als den jungen Motorradfahrer an der Hauptpiste abzusetzen, wo er auf einen LKW warten konnte, der ihn die 80 km in die nächste Ortschaft schleppt. Der junge Mann hatte viel Glück. Als wir abends an einem Flussufer standen, sahen wir ihn und seine Maschine auf einem kleinen LKW vorbeifahren.

Hier am Flussufer in der Nähe von zwei Ger stehen wir nun und haben einen super Ausblick auf die Gletscher und Gipfel der umliegenden 4000er. Ein paar Jungs kamen auf ihrem Pferd bereits aus einer der Jurten vorbei und wir konnten schöne Fotos machen. Gerade hatten wir einen Kurzbesuch der älteren Jurten-Bewohner. Sie begrüßten uns, brachten etwas Käse vorbei, besichtigten unser „Haus“ und verabschiedeten sich dann wieder. Sehr großes Interesse hatte die Frau am Bild unserer Kinder. Dies ließ sie sich genau erklären. Man sieht, vieles geht auch ohne Worte. Mongolisch ist eine für uns unverständliche schwere Sprache. Spätabends, gegen 23 Uhr, kam dann auch noch der Besitzer der 2. Jurte zu Besuch. Einfach nett, so unkompliziert, so gastfreundlich.

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1 Antwort zu In the middle of nowhere

  1. Claudia sagt:

    Tja, bei euch das Fenster und Glas, bei uns die ganze Technik 🙂 kussi

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